Episode 16 Des Teufels Finger I - Lügengespinst
Fortsetzung Kapitel 3
Im Speisesalon auf Burg Cortemilia am Morgen des 05. August 1557
Nach seinem Kontrollgang im Verlies erschien Emanuele beschwingt im Speisesalon, in Erwartung, Edelfa würde, gut gekleidet und duftend, mit ihnen frühstücken. – In leiser Enttäuschung, dass dem nicht so war, begrüßte er seine Mutter.
„Guten Morgen. Hast du gut geschlafen und“, ein Lächeln zog über sein Gesicht, „sage mir, wie hat unsere Taube ihre erste Nacht bei uns verbracht?“
Leicht mürrisch erwiderte Emiliana seinen Gruß.
„Ich kann dir nicht sagen, wie unser Edelfräulein geruht hat. Ich bin heute Morgen die vielen Stufen zum Burgturm noch nicht hinaufgestiegen.“
„Wie bitte?“ Emanuele war entgeistert. „Du hast sie im Turm untergebracht?!“
„Emanuele, wo meinst du, hätte ich sie unterbringen sollen?! Zeige mir ein Gemach in der Burg, das für sie getaugt hätte, gestern, fast in der Nacht!“, machte sich Emiliana Luft. „Im Empfangssalon im Erdgeschoss stünde zwar ein Kanapee, auf dem sie hätte schlafen können, abgesehen davon, dass sie alles verschmutzen würde, so wie sie stinkt. Doch dessen Fenster sind nicht vergittert. Also, wo sonst?“ Sie stampfte unter dem Tisch mit dem Fuß auf. „Außerdem dachte ich, so ihren Stolz zu brechen und sie dir gefügig zu…“
„Mutter“, unterbrach Emanuele sie vorwurfsvoll. „Ihr Stolz gehört nicht von dir gebrochen. Er gehört von mir verführt.“
Die Blitze, die ihn aus den Augen seiner Mutter trafen, ließen ihn einlenken. Beschwichtigend hob er die Hände. „Es ist gut. Sicher hast du recht. Gabst du wenigstens Befehl, dass man ihr ein Frühstück bringt?“
Sie etwas besänftigt, erntete er trotzdem nur ein misslauniges Kopfschütteln. Seufzend ging er deshalb zu der mit Speisen üppig beladenen Anrichte und nahm sich ein kleines Tablett. Er füllte ein Kännchen mit heißer, feiner Schokolade, schließlich galt es, seine Taube zu verwöhnen. Dazu richtete er eine Porzellantasse und einige ofenfrische, duftende Gebäckstücke.
„Wir haben Dienerschaft, Emanuele!“ Emiliana schimpfte. „Setze dich zu mir! Frühstücke und berichte mir lieber von den Männern im Verlies!“
Vergeblich versuchte sie damit, ihn aufzuhalten. Sie wollte nicht, dass er in den Burgturm ging. Schließlich war ihr bewusst, was er dort vorfinden würde…
„Du hast hoffentlich den Schlüssel bei dir, Mutter.“
Emanuele ignorierte ihre Worte und wenig später stieg er die lange, gewundene Treppe zum Burgturm hinauf. Als er die ihm genannte Kammer erreicht hatte, blieb er davor stehen und lauschte nach drinnen:
Außer dem Pfeifen des Windes, der durch die unverglasten Fenster fuhr und ihn frösteln ließ, hatte es zudem in der vergangenen Nacht nach einem Gewitter empfindlich abgekühlt, hörte er nichts.
Eilig schloss er die Tür auf und mit ihrem Öffnen hätte er vor Schreck beinahe das Tablett fallengelassen:
Auf dem Boden lag nichts als ein schmutziger Strohsack. Neben ihm stand ein mit Wasser gefüllter Eimer der Sorte, mit der normalerweise das Vieh getränkt wurde. Edelfa kauerte mit dem Rücken zur Tür auf den nackten Holzbohlen. Unverändert trug sie nur das dünne Unterkleid. Ihre offenen Haare, voller Strohhalme, waren völlig zerzaust, und er konnte schon von der Tür aus sehen, wie sehr sie zitterte. Dreist saßen ihr einige Tauben auf Kopf und Schultern und sie glich, in Schmutz und Taubendreck, eher einer Hexe als seinem rosa Zuckerstückchen.
Ohne Umschweife stellte Emanuele das Tablett auf dem staubigen Boden ab und sprang zu ihr. „Taube!“, rief er aus und verscheuchte die Vögel. Voller Entsetzen realisierte er, wie sich Edelfa, wohl eben erst aus ihren Fußfesseln befreit, ihre blau angelaufenen Füße aneinander rieb. Dabei versuchte sie mit ihren vor Kälte klappernden Zähnen mühsam, sich auch der Stricke um ihren Handgelenken zu entledigen. Von ihrem Stolz war keine Spur mehr erkennbar. Dennoch ignorierte sie ihn.
„Halte ein, ich helfe dir!“
Emanuele wollte nach ihren verschnürten Händen greifen, doch sie hatte sich, ohne ihn eines Blickes zu würdigen, schnell von ihm abgewandt. – Er blieb unnachgiebig. Ungeachtet des allgegenwärtigen Schmutzes kniete er sich zu ihr und zog sie an ihren Schultern, begleitet von ihrem leisen Jammern, behutsam zu sich.
Bestürzt über ihren ausgekühlten Körper und ihre gleichsam blau angelaufenen Hände bemühte er sich vergeblich, so wie sie zitterte, die von ihrem Speichel durchnässten und von ihren Zähnen zerkauten Knoten zu lösen. Ihm blieb nur, seinen Dolch zu ziehen, um mit diesem die Stricke vorsichtig zu zerschneiden. „Mutter, wie konntest du nur! Jedes Stück Vieh auf der Burg haust besser als sie!“, zürnte er in Gedanken, während er gegen Edelfas Widerstand ihre blutleeren Hände rubbelte, bis Wärme in sie zurückkehrte. Anschließend versuchte er, Edelfa in einer Umarmung wenigstens etwas aufzuwärmen. Heftig stieß sie ihn von sich.
„Fass mich nicht an, du…“, zischte sie wie eine Giftnatter. Schnell wusste sie ihre Beine anzuwinkeln und diese mit ihren Armen zu umschlingen. Ebenso schnell neigte sie ihr Gesicht auf die Knie und legte ihre Hände schützend auf ihren Hinterkopf.
Mit einem Stöhnen stand Emanuele auf. Er schob ihr schweigend das kleine Tablett zu und verließ die Kammer.
„Eine warme Decke zu ihr, sofort!“, befahl er dem ersten Diener, der ihm auf seinem Rückweg begegnete. Danach suchte er seine Mutter im Speisesalon, fand diesen aber verwaist vor.
Trotz seines leeren Magens ignorierte er den Duft, den die noch immer auf der Anrichte bereitststehenden frischgebackenen Brioche, die er üblicherweise am Morgen aß, ausströmten. Stattdessen ging er direkt zur Kräuterküche, wo er seine Mutter mit Sicherheit finden würde.
Ohne anzuklopfen trat er kurz darauf schweigend zu ihr und wartete.
„Nun, hat sie sich beschwert, das Edelfräulein?“ Mit leicht verunsichertem Blick und in Erwartung seiner Vorwürfe sah Emiliana zu ihm.
„Nein, Mutter, das hat sie nicht. Völlig ausgefroren befreite sie sich eben ihre blau angelaufenen Hände und Füße“, entgegnete Emanuele kühl. „Und, wie großzügig von dir, der Eimer, so ganz voll Wasser. Sage mir, war es zum Trinken oder war es zum Waschen? Oder sollte sie gar ihre Notdurft hinein verrichten?“
Emanuele holte tief Luft, dann flüsterte er. „Du hast sie erniedrigt, Mutter. Nicht schlimmer hätte man jemand ihres Standes erniedrigen können. Wieso demütigst du sie so? Ich bat dich, gut zu ihr zu sein. Hatte ich ihr doch schon genug zugemutet…“
Ohne eine Antwort von ihr drängte er seine Fassungslosigkeit zurück und straffte sich.
„Sofort, Mutter“, kamen seine Worte wieder laut und entschlossen, „mache ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Gemach für sie. Noch heute wird sie aus dem Burgturm geholt und du wirst sie gründlich baden und angemessen kleiden.“
Bereits im Gehen duldete Emanueles Stimme keinen Widerspruch. Doch genau diesen schickte Emiliana ihm nach, so dass er sich ihr abermals zuwandte.
„Emanuele“, verteidigte sie sich. „Meinst du, ich kann zaubern?! Wir haben kein Bett für sie und es gibt auch keine Kleider für eine junge Dame!“
„Gut. Ich gebe ein Bett in Auftrag und du bestellst den Schneider.“ Damit ging er.
Als er wenig später die Gänge des Wohnteils der Burg abschritt und ein Gemach nach dem anderen in Augenschein nahm, musste er seiner Mutter beipflichten:
Er hatte tatsächlich keine Vorstellung, in welch erbärmlichem Zustand die etlichen Räume vor sich hindämmerten. Vielleicht wurde es wirklich allerhöchste Zeit, dass mehr Leben auf Cortemilia einkehrte und er sich endlich vermählte…
Auch wenn es ihm widerstrebte, so wusste er dennoch, dass er für Edelfa entweder Zimmer mit vergitterten Fenstern, oder wenigstens solche finden sollte, die in den oberen Stockwerken gelegen waren.
Ein Gemach, hoch genug in der Burg um sie davon abzuhalten, aus dem Fenster zu springen, gefiel ihm. Er rüttelte an einem der verschmutzten Fenster und ließ die warme Vormittagssonne in den verstaubten Raum scheinen. Mit Blick in den Burghof realisierte er, dass er sich direkt über seinen eigenen Wohngemächern befand.
Das Zimmer, in dem er soeben stand, war großzügig mit hellen Seidentapeten ausgeschlagen. Zudem verfügte es über einen marmornen Kamin und durch eine in die Wandvertäfelung eingelassene Seitentür gelangte man in zwei weitere kleine Räume.
„Schlafgemach, Baderaum, Ankleide. Perfekt“, sprach er zu sich und sah in Gedanken ein riesengroßes Himmelbett für sie stehen. Sofort rief er nach einem Diener, um diesen zum Tischler zu schicken. Anschließend eilte er wieder zu seiner Mutter.
Emiliana war in ihrem schlechten Gewissen die Freude ihres Sohnes über die gefundenen Räumlichkeiten nicht entgangen. Wiedergutmachend bemühte sie sich, geeignete Möbelstücke in der Burg aufzutreiben, wofür sie die Dienerschaft aufscheuchte. – Wenige Stunden später stand sie in Edelfas frisch geputzten Gemächern:
Eine schwere Truhenbank und ein Tischchen mit Lehnstuhl ließen den nun mit dicken Teppichen ausgelegten Raum gemütlich wirken. In einen der Nebenräume hatte man eine Frisiertoilette nebst Waschzuber geschleppt und ein Diener entzündete gerade ein Kaminfeuer.
Emiliana komplettierte mit einem ihrer Nachthemden, einem samtenen Umhang und einigen Haarbändern, was sie alles auf ein kleines, grob getäfeltes, mit sauberen Laken und Kissen eingedecktes Bett richtete.
„Hier ist das Kleid, Herrin“, hörte sie dabei in ihrem Rücken.
Eine Dienerin knickste und reichte ihr ein, wenn auch schlichtes, doch sauberes und bescheiden hübsches hellgraues Kleid mit einem weißen Spitzenkragen. Einzig Schuhwerk fehlte. Zufrieden gab Emiliana Befehl, ihren Sohn herbeizuholen.
Emanuele fand Edelfa an gleicher Stelle auf den schmutzigen Holzbohlen. Die warme Decke, die man ihr gebracht hatte, lag gefaltet und unbenutzt auf dem Strohsack. Unverändert hatte sie die Arme um ihre angewinkelten Beine geschlungen und mit dem Kopf auf den Knien wiegte sie sich selbst wie ein Kind.
Unter einem Blick auf das ebenso unberührte Frühstückstablett hockte er sich zu ihr. „Edelfa“, sprach er sie leise mit ihrem Namen an und strich ihr übers Haar. „Warum hast du nichts gegessen, dich nicht in die Decke gehüllt?“
Seine Hände fassten nach ihrem Gesicht. Er suchte ihren Blick, der aus verweinten, verquollenen Augen in die Ferne starrte. „Ein kleiner Haufen Elend. Kein rosa Zuckerstückchen. Oh, Mutter!“, dachte er bedrückt bei sich.
Mit etwas Mühe, weil sie sich unter seinen Griffen zusammenkrümmte, hob er Edelfa auf seine Arme. Danach trug er sie langsam Stufe für Stufe aus dem Turm in die für sie vorbereiteten Gemächer.
Zeitgleich unten im Burgverlies am 05. August 1557
Nachdem Don Sebastiano mit seiner Geschichte geendet hatte, wirkte er sichtlich entkräftet. „Die Zeit drängt, meine Söhne“, schob er dennoch hintan. „Schon morgen werden sie Euch holen. Doch jetzt, verzeiht mir, muss ich ein Stündchen ausruhen.“ Damit kroch er zurück in seinen Strohhaufen.
Entgeistert wegen des soeben Gehörten und die Nerven zum Zerreißen auf das gespannt, was der Greis ihnen anscheinend heute noch eröffnen wollte, gaben sich auch Lauro und Vicenzo ihrer Erschöpfung hin. Sie legten sich, so gut es ihre Ketten zuließen, ins Stroh und augenblicklich waren sie tief und fest eingeschlafen. –
Diesmal war es Don Sebastiano, der zuerst aufwachte. Still kroch er zu den Freunden, um ihre schlafenden Gesichter aufmerksam zu mustern.
„Junge Männer wie ihr seid“, flüsterte er ergriffen vom Anblick der entspannten, sympathischen Antlitze, „fühle ich für Euch wie für meinen eigenen Sohn, der wohl nie erfahren wird, wer sein wirklicher Vater ist.“
Schmerzlichste Erinnerungen überrollten ihn:
Anfangs hatte er ihn aufwachsen sehen, wenn auch nur durch ein vergittertes Kerkerfensterchen. Später wurde es ihm verwehrt. Doch hören konnte er ihn noch:
Das über den Burghof schallende, vergnügliche Lachen des kleinen Kindes hatte er vernommen, genauso wie die fröhlichen Rufe des Knaben und die sich immer wieder brechende Stimme des heranwachsenden Jünglings, den wohlklingenden Bariton des Mannes, der er geworden war…
Seine Schuld an ihm bereute er zutiefst. Nur allzu gerne hätte er ihn um Vergebung gebeten und sich ihm anvertraut. Wie oft hatten sich seine Lippen geöffnet, um zu ihm zu sprechen, in den immer selteneren Momenten, in denen er ihn sah, so stattlich und hochgewachsen, wie er selbst einst gewesen war. Wieder und wieder hatte er in Gedanken die Worte geformt. Es wäre so einfach gewesen:
„Bitte, ich bitte Euch, ich bitte dich, komme zu mir, denn ich habe mit dir zu reden, mein Sohn.“ Doch seine Angst vor Zurückweisung, auch seine Unsicherheit, wie der erwachsene Sohn mit ihm umgehen würde, hatte ihn schweigen lassen. Irgenwann hatte er aufgegeben und begonnen, sich vor ihm zu verbergen. – Mittlerweile schien er von ihm vergessen worden zu sein. Nur Wächter kamen ab und an noch zu ihm, immer dann, wenn er glaubte, diesmal ließe man ihn verhungern oder verdrecken.
Dabei war er es selbst gewesen, der den ungeborenen Sohn in den sicheren Tod schickte. Bloß kam es anders. Der Sohn erblickte das Licht der Welt, ohne sein Zutun. Somit hatte er jedes Anrecht auf sein eigen Fleisch und Blut verwirkt und an ein fremdes Geschick verloren. – Wiedergutmachend würde er jetzt den beiden jungen Adelssöhnen ihr Leben bewahren. Helfen würde er, dass sie dieses in ihren Familien in Glück fortsetzen könnten. Denn, wenn er jetzt nicht handelte, bahnte sich schon bald das Unheil seinen Weg und in wenigen Tagen gäbe es die jungen Männer, die schlafend vor ihm lagen, nicht mehr. Lediglich ihre Körper existierten noch. Ausgeliefert und stumpfsinnig. Willenlose Diener ohne eigenes Antlitz, weil dieses fortan eine schwarze Maske verhüllte.
Don Sebastiano löste sich aus seinen Gedanken. Er tippte Lauro, der ihm am nächsten lag, an die Schulter. „Aufwachen, junger Mann. Schon morgen kann Euch Euer Schicksal ereilen, vergeuden wir jetzt noch mehr Zeit mit Schlaf!“
Lauro öffnete seine Augen und sah das versonnene Gesicht des Greises direkt vor sich. „Conte di Cortemilia“, lächelte er leicht verschlafen und streckte ihm seine Hand entgegen, die freundlich genommen und fest gedrückt wurde.
„Wacht auf, meine Söhne, wacht auf! Denn jetzt müssen wir sprechen!“
„Man erzählte mir, es sei eine riesige Schlange, die zubeißt. Mehr weiß ich nicht. Doch habt keine Angst. Alle Männer, die den Kerker mit mir teilten, waren, als sie das erste Mal abgeholt und wieder zurückgebracht wurden, am Leben geblieben. Nicht einer von ihnen war gestorben. Im Gegenteil. Drei Tage und Nächte litten sie zwar an Fieber, Schüttelfrost und Muskelschmerzen. Diese Pein jedoch überstanden, fühlten sie sich gesund und über die Maßen kräftig. Aber als man sie ein zweites Mal abholte, brachte man sie mit leerem Blick und ausgelöschtem Willen zurück. So sehr ich mich jedes Mal bemühte, ihnen ins Gesicht zu sehen und darauf hoffte, dass sie mich erkennen würden, blieb ich erfolglos. Keiner der bedauernswerten Männer, fortan fügsamer Diener, hat mich je wiedererkannt. Seither versuche ich unentwegt, die mir bekannten Antlitze unter den Wächtern auszumachen. Bloß, da sie Masken tragen müssen, und sie meinen Bitten, diese abzulegen, nicht folgen, bleiben mir ihre Wesen verborgen.“
Während seiner Erklärungen waren Don Sebastianos Blicke zwischen den bestürzten Mienen der beiden Freunde gewandert. Bei seinen nächsten Worten verloren sie sich jedoch in der Ferne.
„Eines aber verstehe ich nicht, so sehr ich auch beobachte und mich bemühe“, sinnierte er wie zu sich selbst. „Ich bin mir nicht sicher. Aber in den vielen Jahren, in denen ich nun hier unten bin, kommt es mir vor, als ob keiner der Wächter altert. Unverändert scheinen es junge, kräftige Männer zu sein und ich überlege andauernd, ob dies der Grund dafür ist, dass ihre Körper stets schwarz verhüllt und ihre Gesichter mit diesen Masken bedeckt sind.“
Unter rasselndem Atem kehrte sein Blick zurück.
„Daher hütet Euch, meine Söhne. Rechtzeitig zu fliehen gilt es. Andernfalls seid Ihr nicht mehr Herr Eurer selbst. Seht Euch die Wächter an. So werdet auch Ihr sein, in wenigen Tagen…“
„Wie kann es sein? Ist es Teufelswerk?“ Vicenzo flüsterte, währenddessen Lauro noch um Fassung rang.
„Das ist es, zweifelsohne.“
„Dann ist auch er des Teufels?“
„Nein, das ist er nicht.“ Don Sebastiano schüttelte entschieden mit dem Kopf. „Wäre er ein Dämon geworden, ich hätte es gespürt, so nah wie ich mich ihm fühle, glaubt mir. Gleichwohl, fehlgeleitet, lehrte man ihn, Böses zu tun.“ Er bekreuzigte sich.
„Aber wie, Don Sebastiano, wie nur sollen wir von hier fliehen, in den schweren Eisen?“ Lauro’s verzweifelten Blicken folgte Kettenrasseln.
„Mit meiner Hilfe. Hört mir…“
Don Sebastiano konnte seinen Satz nicht beenden. Wieder hallte Emanueles Stimme auf dem Gang, die sich dazu zügig näherte.
Musik: ES_No One in Sight – Jon Bjork
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