Episode 22 Des Teufels Finger I - Lügengespinst

Fortsetzung Kapitel 4

Alta Langa, in der Frühe des 09. August 1557

Endlich dämmerte der Morgen und mit Erleichterung vernahm man Lauros Aufforderung, anzuhalten.
„Das heißt, wir rasten hier?“ Fast ungläubig, man könne wirklich ausruhen, kreiste die Frage.
Lauro sah sich nochmals prüfend um und nickte.
Sie hatten die Nordseite eines die Gegend überragenden, dicht bewaldeten Hügels erreicht. Dieser versprach mit seinem weiten Ausblick in die Umgebung ein Stück weit Sicherheit und dazu genügend Schatten für den bevorstehenden Hochsommertag.
Sofort begann rege Betriebsamkeit. Lauschige Schlafplätze wurden gesucht, Stiefel ausgezogen, geschwollene Füße gerieben, Kleidungsstücke zu Kissen gerollt oder der Nebenmann als dieses benutzt…
Nur wenige Momente später blickten Lauro und Vicenzo in die entspannten, schlafenden Mienen der Freunde und sie hörten deren Schnarchen, zu allererst das des teutschen Hünen.
Vorsichtig betteten die beiden Freunde Edelfa unter einen Baum. Lauro faltete sein Wams, um es ihr unter den Kopf zu schieben, als sie plötzlich ihre Augen aufschlug. Begleitet von den erstaunten Blicken der zwei Männer, sahen diese ihr an, dass sie alles andere als wirklich wach war, schickte sie ihnen ein beglücktes Lächeln. – Doch nur für wenige Sekunden. Gleich einer dunklen Wolke, die sich vor die Sonne schiebt, verdüsterte sich ihr Gesicht und sie stand abrupt auf… um im selben Augenblick wieder kraftlos und stöhnend ins weiche Moos zu sinken.
Geistesgegenwärtig hatte Lauro sie aufgefangen. Noch einmal half ihm Vicenzo, sie unter dem Baum hinzulegen. Bevor Lauros Wams ihr jedoch als Kopfkissen untergeschoben wurde, wollten die Freunde ihre Kopfwunde besehen. Indes – sie entdeckten nur blutverklebte Haare.
„Das Einzige, was wir für sie tun können, ist beten.“ Vicenzo flüsterte. Bekümmert und müde.
Lauro bejahte und trotz der Unruhe, die ihn wegen des vielen eingetrockneten Bluts an Edelfas Kopf befiel, übermannte auch ihn seine Erschöpfung.
Ohne, dass sie hätten darüber sprechen müssen, nahmen die zwei Freunde Edelfa wie in Selbstverständlichkeit in ihre Mitte. Einschlafen konnten sie aber nicht, denn Edelfa regte sich abermals. Sie stützte die Hände auf den bei ihr liegenden Männern ab und richtete ihren Oberkörper auf.
„Edelfa…“ Vicenzo kämpfte gegen seine Müdigkeit an und setzte sich. Fürsorglich strich er ihr das wirre Haar aus der Stirn. „Hab keine Angst. Wir konnten vor diesen Teufeln fliehen. Du hast die letzte Nacht verschlafen, aber wir sind ununterbrochen gelaufen und jetzt erschöpft. Bis zum Abend wollen wir hier ruhen. Bitte, tue es uns gleich. Verhalte dich still, denn wir müssen uns verstecken.“
Edelfas weit aufgerissene Augen wanderten zwischen den Gefährten. „Bei diesen Teufeln“, wiederholte sie in seltsam entrücktem Tonfall. „Ihr hättet mich lassen sollen, wo ich war. In der Hölle. Dort gehöre ich hin. Ich bin verflucht und bringe euch Unglück.“
Lauro, der bisher neben ihr liegengeblieben war und sie von unten ansah, fuhr erschrocken auf.
Vicenzo, offensichtlich unbeirrt wegen des Klanges ihrer Stimme, streichelte ihr abermals behutsam über den Kopf. „Niemals wären wir ohne dich aus dieser Hölle geflohen, Mädchen. Gott hat dich zu uns gegeben und du bist nicht verflucht. Weshalb solltest du uns Unglück bringen? Du bist in Freiheit und wir werden dich beschützen. So lange, bis du in deine Heimat zurückkehren kannst.“
„Meine Heimat…“ Edelfas Blick wanderte in die Ferne und sie begann zu schluchzen.
„Ja, in deine Heimat“, wiederholte Vicenzo. Er drückte sie sanft zu Boden. „Lege dich zwischen uns. Wir passen auf dich auf.“
Als sie lag, zog Edelfa die Beine an. Sie rollte sich zusammen und weinte leise vor sich hin. Vicenzo schob ihre nackten Füße unter ihre Röcke. Er legte sich dicht neben sie und zog sie in seine Arme. „Schlafe jetzt, Edelfa. Und lasse jene düsteren Tage hinter dir.“
Lauro, dem die Worte fehlten, schob sich an ihren Rücken.
„Was für ein Häufchen Elend im Gegensatz zu früher“, raunte Vicenzo zum Freund, vorerst erleichtert, dass Edelfa ihre Augen wieder geschlossen hatte. Man hörte ihren gleichmäßigen Atem und wenig später waren sie gemeinsam eingeschlafen.

Alta Langa, in der Nacht vom 09. auf den 10. August 1557

In der Gegend, in der sie tagsüber ausgeruht hatten, fand sich rein gar nichts Essbares für einen menschlichen Magen. Demgefolgt rüsteten sich die Gefährten notgedrungen ausgehungert für die folgende nächtliche Flucht.
Im ersten Talgrund, in den sie hinabgestiegen waren, erfrischten sie wenigstens ihre schweren Beine und trockenen Kehlen mit sprudelndem Quellwasser. Danach stapften sie schweigend dem ersten Hügel entgegen, dem bis zum nächsten Morgengrauen etliche nachkamen…
Maurizio und Fabrizio, überraschend flink und wendig wie die Wiesel, beglückten die Gefährten im Laufe der Nacht mit Waldfrüchten. Wieder und wieder folgten sie ihrem Gespür und sammelten trotz der Dunkelheit Beeren, Bucheckern und Nüsse, die sie beflissentlich und gerecht verteilten.
Begleitet von Korbinians Schlägen und gedämpften Flüchen, mit denen er die über ihn herfallenden Stechinsekten zu vertreiben suchte, verflogen die Stunden, und er vergaß darüber sogar, sich über die gottverlassene Alta Langa zu beklagen.
Edelfa wurde auch in dieser Nacht abwechselnd von Lauro und Vicenzo getragen. Sie schlief nun nicht mehr. Die Kopfwunde, vorsichtig an einer Quelle ausgewaschen, hatte sich soweit geschlossen, dass man fast sicher war, sie würde weder Wundfieber ausbrechen lassen, noch sich entzünden. Und wann immer man sie nach Schmerzen fragte, schüttelte sie verneinend mit dem Kopf. Sorgen bereitete den Freunden zunehmend etwas anderes:
Die junge Frau zeigte sich völlig verändert. Kein normales Wort kam über ihre Lippen. Sie fragte nicht, was auf Cortemilia geschehen war, ebensowenig, wie die Flucht von dort glückte oder wo man hin wollte. Geschweige denn, dass sie von ihren Erlebnissen erzählte… Zumeist schien sie entrückt und geistesabwesend.
Nicht schlimm wäre es gewesen, eine stille Frau auf ihrem gefährlichen Weg mit sich zu tragen. Indes – wenn sie sprach, gab sie nur Beteuerungen von sich, gleichbleibend, begleitet von ihren panisch anmutenden Blicken:
„Ich bin verflucht. DES TEUFELS FINGER haben mich berührt. Von IHM gezeichnet, wohnt ER mir inne, der Leibhaftige. So lasst mich, ich bringe euch Unheil!“ Immer lauter und intensiver wiederholte sie jene Worte. Mehr und mehr wand sie sich gegen die Arme, die sie trugen und schützen wollten.
Die Versuche, sie zu beruhigen, fruchteten nicht. Ratlos und zutiefst besorgt hielt man schnell Abstand von den übrigen Gefährten. Unablässig verfolgte die beiden Freunde die Angst, auch die anderen würden ihre Unheilsbotschaften vernehmen.
In den Momenten, in denen Edelfa schwieg und ihr Blick klarer wirkte, musterte sie aus ihren dunklen Augen eingehend das Gesicht des Mannes, der sie gerade trug. Ermüdete sie davon, ruhte ihr Kopf an der Brust, die sich ihr bot, und sie sog den auf sie einströmenden Körpergeruch ein.
So gern Lauro sie während des Tragens an sich spürte, so zunehmend unangenehm wurde es ihm, sich ihrer Nähe auszuliefern. „Vicenzo“, klagte er. „Noch nie war mir eine Frau so nah und noch nie habe ich so gestunken.“ Er schnüffelte in Richtung seiner Achseln, nachdem Edelfa ihren Atem wieder spürbar an ihm eingesogen hatte. Kaum den Hauch des eigenen Schweißes in der Nase, hielt er erschrocken die Luft an. „Oh Gott!“
Edelfa sah ihn an und tat es ihm gleich. Lauro wand sich entsetzt, als sie sich neigte und an ihm schnupperte, dann jedoch ohne weitere Reaktion ihre Augen schloss und sich wieder an ihn lehnte.
Vicenzo, ebenso an sich geschnüffelt, verstand Lauro. Auch ihm verzog es ob seines fast stechenden Körpergeruchs das Gesicht. Als er jedoch sah, wie Edelfa am Freund roch und sich ihm dann zuwandte, musste er trotz seines Kummers um sie feixen. „Was sorgst du dich? Offensichtlich teilt sie deine Abneigung nicht.“
„Nein.“ Lauro erholte sich nicht von seiner Beschämung. „Bitte, Vicenzo, trag du sie jetzt.“
„Ich rieche auch nicht besser.“ Vicenzo kommentierte lakonisch, folgte jedoch Lauros Wunsch. Edelfa wanderte auf seine Arme, wobei sie wieder ihre Beteuerungen abließ. Hernach folgte ihr stummer Blick in das nahe Männergesicht.
Vicenzo, den Lauros Schamgefühl noch immer belustigte, lachte ihr leise zu. „Na, Mädchen, was siehst du mich so an?“ Ungeniert rieb er seine ausgewucherten Bartstoppeln so lange an ihrer Wange, bis sie ihre Hand ausstreckte und schützend vor ihr Gesicht legte.
Vicenzo drückte ihr einen Kuss auf die Hand, lachte weiter und schaute zu Lauro. „Kein Wunder, dass sie nur an die Hölle denkt. Schließlich ist sie von Wesen umgeben, die der Unterwelt entstiegen zu sein scheinen.“
„Wenn es nur so wäre, Vicenzo. Wenn nur unser wüstes Äußeres der Anlass ihrer Beteuerungen wäre.“
Auf Lauros Klage verschwand auch aus Vicenzos Gesicht die Heiterkeit. Sie wich sorgenvollen Blicken, die man untereinander tauschte.

Die zweite Morgendämmerung war heraufgezogen. Abermals hatten sie eine Hügelkuppe erklommen, auf der Lauro einen Baum hinaufkletterte.
Wenig später stand er zufrieden vor den Gefährten, die erschöpft am Boden kauerten. Korbinian, der bereits seinen Mund geöffnet hatte um kund zu tun, dass er keinen Schritt mehr gehen würde, bot Lauro mit einer Handbewegung Einhalt. – Lob folgte in die Runde der ermüdeten Gesichter. „Gut sind wir gelaufen, meine Freunde. Ich konnte schon das Castello di Falletti von Barolo ausmachen. Nur wenige Hügel trennen uns noch von Roddino. Von da an halten wir uns auf den Hochtälern.“
Wiederum von Cortemilia‘schen Verfolgern ungestört, schlief man auch den zweiten Tag in Freiheit.

Alta Langa, in der Nacht vom 10. auf den 11. August 1557

Kam es von der Erlösung, dem Grauen auf Burg Cortemilia entkommen zu sein? Oder von der Freude über die wiedererlangte Freiheit? – Keiner der Gefährten wusste eine Antwort. Denn, obwohl sie Hunger litten, spürten sie, wie ihre Beine sie immer kraftvoller und ausdauernder durchs Land trugen…

Mit der nächsten Nacht hatte man, in Aussicht auf erträglichere Wegstrecke, zügig die Anhöhe von Roddino erreicht. Die unerbittlichen Auf- und Abstiege mäßigten sich in auskömmliches Geradeaus. Auch tauchten die ersten, noch vereinzelten Weinberge auf, die die Hoffnung schürten, vielleicht Trauben vorzufinden, an denen man sich gezwungenermaßen bedienen würde.
Weit vor dem Morgengrauen lag Monforte d‘Alba in Sichtweite, die beschwerliche Alta Langa also hinter ihnen. Dafür galt es, die nächste Herausforderung zu bewältigen:
Von nun an würde man sich in von Franzosen belagertem Gebiet bewegen müssen. Zudem verlor sich mehr und mehr der dichte, schützende Wald.
Straff, wie sie die ganze Nacht hindurch marschiert waren ohne an ihren Hunger zu denken, meldete sich dieser mit aller Macht zurück. Trotz der noch mindestens zwei Nachtstunden, die zum Weiterlaufen verblieben, schien es ihnen zu gefahrvoll, sich Monforte d‘Alba weiter zu nähern. In dem Falle würde man nämlich vor der Tür der Franzosen das auf den hellen Tag verschobene Nachtlager verbringen müssen und zur Nahrungssuche eignete sich diese Gegend ebenso nicht.
„Bleiben wir hier“, schlug Lauro vor. „Sammeln wir Reserven für die kommende Nacht. In der gilt es, Monforte so weit hinter uns zu lassen, wie es nur irgend geht.“
Alles nickte, und ihm schien, man akzeptierte ihn nicht nur als Führer auf ihrer Flucht, sondern, man suche ihn dafür…
Nahe Roddino arbeiteten sie sich also linkerhand in die sanft hügeligen, hochstehenden Wiesen, und jedermann erkor sich dort ein geschütztes Ruheplätzchen.

Alta Langa, nahe Roddino am 11. August 1557

Es dauerte eine Weile, bis sich Lauro, aufgeschreckt aus einem Albtraum, in dem er wieder die riesigen, leuchtend gelben Schlangenaugen auf sich zukommen sah, orientiert hatte. Er setzte sich vorsichtig auf und sein Blick schweifte zu den eng aneinanderliegenden, ruhig schlafenden Gefährten. Fröstelnd rieb er die Arme im noch feuchten Hemd. In der Hoffnung, seinen Körpergeruch zu vertreiben, hatte er es in einem der ihren Weg kreuzenden Bäche ausgewaschen und der unermüdlich stechenden Mücken wegen nass wieder übergestreift. Sein ihm ansonsten als schützendes Kleidungsstück verbliebenes Wams war an Edelfa als Kopfkissen abgetreten…, das jetzt verwaist am Boden lag. Erschrocken suchten Lauros Augen nach ihr. – Vergeblich.
Er wartete für einen Moment. Vielleicht war sie nur einem Bedürfnis nachgegangen und kehrte gleich zurück… Aber diese leise Hoffnung erfüllte sich nicht.
Um niemand, auch den friedlich schlafenden Freund nicht, zu wecken, erhob er sich  behutsam. Danach durcheilte er die Wiesen. – Keine Edelfa.
In aufsteigender Unruhe mühte er sich durch das schützende Gestrüpp, hinter dem sie, ungesehen vom nahen Fuhrweg, lagerten. Dort erschrak er ein weiteres Mal:
Der Höhe der Sonne nach am frühen Nachmittag, entdeckte er Edelfa auf der anderen Wegseite inmitten ungemähter Wiesen. Aufrecht wie sie dastand, war ihr Oberkörper weithin sichtbar. Lauro meinte, ihm bliebe das Herz stehen. In seiner Vorstellung sah er schon die heranrollende schwarze Kutsche der Cortemilia‘s und den auf sie zurasenden Riesenhund…
Hektisch blickte er um sich. Dann hastete er, den Weg überquert und sich sofort ins hüfthohe Gras geduckt, zu ihr. „Edelfa, um Himmels Willen! Was tust du hier? Willst du, dass sie dich finden?!“ Er sprach sie von unten an, fasste ihre Hände und versuchte, sie zu sich zu ziehen.
„ER wird mich finden“, verwehrte sie ihm ihre Hände. „Denn ich bin verflucht. Also lasst mich, ich bringe euch Unglück!“
Ohne auf ihre Worte zu achten, fasste er wieder nach ihr. „Bitte, Edelfa! Duck dich und folge mir zurück zu den anderen!“
Umsonst. Sie entzog sich seinen zögerlichen Griffen, blieb aufrecht stehen und ihre großen Augen sahen zu ihm hinunter. „ER hat mein Blut getrunken. Jetzt gehöre ich IHM. Also geh!“, flüsterte sie entsetzt.
Lauro schüttelte den Kopf und zog sie energisch zu Boden. Im gleichen Moment raschelte es. Vicenzo war bei ihnen. „Was macht ihr hier?“, zischte er.
„Vicenzo, hilf mir! Sie meint, sie gehöre ihm, denn er habe ihr Blut getrunken.“
„Gott bewahre!“ Vicenzo ächzte. Er spähte über das Gras, stellte sich flugs aufrecht und hob Edelfa energisch auf die Arme. Hernach drückte er ihren Kopf fest an seine Brust und eilte, gefolgt von Lauro, zurück auf die gegenüberliegende Wegseite.
Nach einem kontrollierenden Blick in die Umgebung schlichen sie durchs Gebüsch zu den Gefährten, erleichtert, diese unverändert schlafend vorzufinden.
Während Vicenzo seine Griffe lockerte und Edelfa aus seinen Armen ließ, wehrte sie sich auch gegen ihn. „Warum lasst ihr mich nicht? ER wird mich suchen. Ich bin SEIN!“
„Schsch“, legte Vicenzo ihr einen Finger über die Lippen. „Still, Mädchen. Er findet dich, wenn er dich hört. Also schweig.“ Keinen Widerspruch duldend, zog er sie mit sich zu Boden und gebot ihr, sich hinzulegen.
„Was sollen wir nur tun, Vicenzo?“ Mit verzweifeltem Gesicht setzte Lauro an, ihr sein Wams wie gewohnt unter den Kopf zu schieben.
Vicenzo griff danach, entrollte es und legte es über ihren Oberkörper. „Auf keinen Fall können wir sie unbeobachtet lassen. Hier, Lauro“, wies er dem Freund einen Ärmel, während er den anderen unter sich stopfte. „Mache es wie ich. Wir müssen sie irgendwie bei uns halten.“
Die leise jammernde Edelfa so unter das Wams gezwängt, rutschte Vicenzo dicht zu ihr. Er legte auch noch eines seiner Beine über sie, worin Lauro ihm folgte.
„Jetzt schlaf, Mädchen.“ Vicenzo streichelte ihr Gesicht, bis das leise Jammern verstummte, ihre Augen zufielen und ihr gleichmäßiger Atem zu hören war. Er hob den Kopf zum Freund und nickte. Wenig später waren sie abermals eingeschlafen.

„Was tut ihr beiden da?“ Halb gebeugt und mit seinen Händen auf den Knien abgestützt, brummte Korbinian, Edelfa noch immer unters Wams gezwängt, über ihnen.
Vicenzo fuhr davon aus seinem unruhigen Schlummer auf und schwindelte geistesgegenwärtig. „Natürlich hast du es nicht gehört, bei deiner Schnarcherei, ihr entsetzliches Zähneklappern, so wie sie fror. Edelfa hatte ihr Unterkleid gewaschen und nass darin geschlafen. Hast du es nicht beobachtet?“
Mit einer abwinkenden Handbewegung wandte sich Korbinian grummelnd wieder ab.

„Wenn ich nicht bald etwas Anständiges zwischen die Zähne bekomme“, hörte man wenig später seine Maulerei, „fresse ich den ersten Franzosen, der mir über den Weg läuft.“ Er saß auf der Erde, einen kleinen Haufen leidlich reifer Haselnüsse vor sich. Mit seinem kräftigen Gebiss knackte er eine Nuss nach der anderen und suchte, zumeist vergeblich, nach einem halbwegs genießbaren Kern. Unmutig schleuderte er die unergiebig gebliebenen Schalen von sich, um dann nach der nächsten Nuss zu greifen.
Niemand war von der Meckerei sonderlich begeistert. Trotzdem teilte man seinen Unmut. Resigniert krochen die Gefährten ins Unterholz in der Hoffnung auf irgendetwas Essbares…

 

Musik: Howard Harper-Barnes, Virtuosity
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